<<< zurück

25.12.2007 Deutschland: TIERTAFEL HAMBURG - Hartz IV für den Hund:

Fressen, Flohkuren, Streicheleinheiten: Die Hamburger Tiertafel hilft denen, die selbst nicht viel übrig haben - und noch weniger für ihre Haustiere. Der Andrang ist riesig. Hamburg - "Ich würde lieber selbst verhungern, bevor meinem kleinen Simba der Magen knurrt", behauptet Gabriele Dieckmann und streichelt ihrem fünfjährigen Labrador traurig über den Kopf. Wie jeden Mittwochnachmittag stellen sich Simba und Frauchen in die langen Schlange vor der Hamburger Tiertafel.

Die 48-Jährige ist arbeitslos und eine von mehr als 142.000 Hartz-IV-Empfängern in der Hansestadt. Ohne die kostenlosen Rationen könnte sie ihren geliebten Vierbeiner nicht über die Runden bringen: "Das Zeug gegen Flöhe kostet 34 Euro, eine Wurmtablette 22 Euro. Ganz zu schweigen von dem Futter, das mein Simba braucht. Eigentlich kann ich mir mit 345 Euro im Monat gar kein Haustier leisten." Oftmals droht Bedürftigen mit der finanziellen auch die soziale Verarmung. Viele der mehr als 300 in der Schlange Wartenden leben allein und haben in ihrem Haustier den einzigen echten Partner im Leben. Damit sie ihre treuen Vierbeiner auch weiterhin an ihrer Seite haben können, öffnete die Hamburger Tiertafel vor rund drei Monaten ihre Pforten. "Der Bedarf in Hamburg ist sehr groß, denn hier in der Großstadt leben besonders viele Menschen, die ihre Tiere nicht mehr ausreichend versorgen können", erläutert Claudia Hollm, Gründerin des derzeit in sechs deutschen Städten aktiven Vereins "Tiertafel Deutschland", die Motivation für ihr tierisches Projekt. In der Hansestadt ist Bettina Elze, 41, für die Tiertafel zuständig. Gemeinsam mit ihrem sechsköpfigen Team kümmert sich die Reiseverkehrskauffrau ehrenamtlich um Hund, Katze und Co. "70 Prozent unserer Klientel lebt von Hartz IV. Wir machen sie und ihre Tiere für einen kurzen Moment glücklich." Während im Treppenhaus Gabriele Dieckmann und ihr Hund Simba ausharren, arbeitet das Team der Tiertafel im Keller unter Hochdruck: "Zwei große Hunde, drei Katzen und ein Meerschweinchen", ruft Helferin Elze hektisch ihren Kollegen zu. "Uff", stöhnt Ulla Müller-Schlichting, "da müssen wir für die aber ein besonders großes Paket schnüren!" Von Diätfutter über Katzenstreu bis hin zu Leckereien gegen Nierenleiden - die Auswahl für das schnurrende und kläffende Klientel scheint unerschöpflich. Zudem beraten die Mitarbeiter der Tiertafel bei medizinischen Fragen und stellen bei Bedarf einen kostenlosen Kontakt zu Tierärzten her.

"Meine Katzen essen doch gar kein Hühnchen", klagt eine ältere Frau, als ihr Bettina Elze drei Dosen Futter über die Ausgabetheke reichen will. "Nun gut, dann gibt es eben Thunfisch", entgegnet Elze - und tauscht die Packungen aus. "Viele unserer Kunden hatten doch schon vor ihrer Arbeitslosigkeit ein Haustier. Hier geht es nicht um Hundepensionen oder luxuriöse Tier-Ressorts - wir wollen doch bloß mit Hilfe privater Spenden gewährleisten, dass die Menschen ihre geliebten Tiere behalten können", so Elze. Gabriele Dieckmann ist am Ende ihrer Kräfte. Mehr als zwei Stunden hat sie mit Hund Simba gewartet, nun packt sie Dosen und Trockenfutter in ihren Plastikbeutel: "Das reicht immer so drei Tage für meinen Kleinen", sagt die 48-Jährige zu den Mitarbeitern der Tiertafel. "Nächste Woche stehen Simba und ich garantiert wieder bei Ihnen in der Schlange."

Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,524857,00.html