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16.11.2007: „Nicht die Rasse macht einen Hund gefährlich“


Nicht die Rasse macht einen Hund gefährlich - das sagt Romana Spitschu, Tierverhaltenstherapeutin aus Heinsheim. Im Gespräch mit Adrian Hoffmann erklärt sie, wer bei einem Kampfhunde-Unfall wie dem vor wenigen Wochen in Treschklingen verantwortlich ist und weshalb sie einen Hund-Führerschein viel sinnvoller halten würde als alles andere.
 
Kommt es Ihrer Erfahrung nach oft vor, dass Halter sich davor scheuen, ihren Kampfhund anzumelden?
Romana Spitschu: Sie meinen einen Hund, der aufgrund seiner Rasse in Baden-Württemberg als Listenhund gilt. Ja, leider. Ich denke, viele haben eine Scheu davor. Die Verordnungen für Hundehaltung sind in jedem Bundesland verschieden und somit wechseln auch die Rassen, die als Listenhunde gelten. Viele Halter fürchten sich vor dem Wesenstest für ihren Hund - und die zum Teil dreifach höhere Hundesteuer motiviert sie auch nicht dazu.
 
Wieso fürchten sie sich?
Spitschu: Es ist die Unsicherheit, nicht konkret zu wissen, was auf die Halter zukommt. Wenn ein Hund den Wesenstest nicht besteht, wird er ja dem Halter nicht gleich weggenommen. Er besteht dann weiterhin Leinen- und Maulkorbpflicht für den Hund in der Öffentlichkeit. Aber das ist offenbar vielen Leuten nicht klar. Sie haben Berührungsängste. Dabei ist der Wesenstest etwas Notwendiges und nichts Negatives.
 
Welche Bestandteile hat ein Wesenstest denn eigentlich?
Spitschu: Es wird geprüft, wie sich der Hund gegenüber dem Menschen verhält, gegenüber Reizen seiner Umwelt und der Gehorsam des Hundes. Es geht darum, die Reaktion des Hundes auf Reize, die bekannterweise Aggressionsverhalten auslösen können, zu prüfen.
 
Was geht Ihnen als Tierpsychologin durch den Kopf, wenn Sie von einer Nachricht erfahren wie aus Treschklingen: Kampfhund beißt Kind?
Spitschu: Mich schockiert das natürlich. Ich stelle mir schon die Frage, ob so etwas wirklich passieren muss. Ich habe selbst auch Kinder.
 
Wer trägt die Schuld?
Spitschu: Natürlich der Halter. Einem Kind kann man dafür nicht die Schuld geben, weil ein Kind eine solche Situation nicht einschätzen kann. Was nicht heißt, das man darauf verzichten sollte, Kindern respektvollen Umgang mit Tieren beizubringen. Einem Hund kann man die Schuld auch nicht geben, der reagiert instinktiv. Genauso wenig wie eine Mensch als Bankräuber, egal welcher Nationalität, auf die Welt kommt, kommt ein Hund, egal welcher Rasse, als böse auf die Welt. Er ist das Produkt des Menschen.
 
Kampfhunde machen regelmäßig negative Schlagzeilen. Wie könnte man die Zahl solcher Vorfälle reduzieren?
Spitschu: Wie gesagt: Aufzucht, Haltung und Erziehung eines Hundes sind maßgeblich. Ich mag den Begriff Kampfhund überhaupt nicht. Nicht die Rasse macht einen Hund gefährlich. Die Statistik der Beißunfälle führt der Schäferhund an; und erst kürzlich hat in Bayern ein Retriever ein Kind angefallen.
 
Der Familienhund schlechthin?
Spitschu: Ich kenne nur Jagd-, Hüte-, Gesellschafts-, Schutz-, Begleit- und Herdenschutzhunde - aber eine Familienhunderasse kenne ich nicht. Aus diesem Grund würde ich einen Sachkundenachweis als viel wichtiger ansehen als eine Auflistung von Hunden mit sogenannten Kampfhundeeigenschaften. In einzelnen Bundesländern gibt es den bereits, als sogenannten Hunde-Führerschein. Man muss als Halter nachweisen, dass man ein bestimmtes Wissen über Zucht, Haltung, Erziehung, Rechte und Pflichten in der Öffentlichkeit hat und eine Praxisprüfung mit dem Hund ableisten.
 
Welche Erklärung haben Sie als Tierpsychologin dafür, warum ein Hund einen kleinen Jungen anfällt?
Spitschu: Dafür gibt es keine pauschale Erklärung. Es spielen sicherlich viele Faktoren eine Rolle.
 
Was kann man denn allgemein über die Halter von Kampfhunden sagen?
Spitschu: Ich finde sie mutig. Sie nehmen eine große Verantwortung auf sich und müssen sich ständig mit Anfeindungen auseinandersetzen.
 
Es gibt viele Klischees.
Spitschu: Das Klischee, dass diese Hunde alle dem Milieu zuzuordnen sind, trifft mit Sicherheit nicht mehr zu. Es mag sein, dass wegen der politischen Haltung zu diesem Thema manche Hundehalter einen richtigen Fanatismus entwickeln.
 
Ohne pauschal werden zu wollen: Kann die Menschheit auf die Haltung solcher als gefährlich geltenden Hunderassen nicht einfach verzichten?
Spitschu: Zum guten Schluss noch einmal: Es gibt nachweislich keine gefährliche Hunderasse. Das beweist ein Blick in jede Welpenkiste. Die Natur macht den Welpen - und den Hund, den macht der Mensch.
 
Quelle: http://www.stimme.de/nachrichten/kraichgau/art1943,1126756