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20.08.2007: Deutschland – Kampfhunde - „Der Generalverdacht ist nicht gerechtfertigt“

Wenn im September die Entscheidung über die neue Hundesteuersatzung fällt, wird Dieter Ramolla im Römer sein. An vorderster Front, wie er es beim Thema Kampfhunde immer gewesen ist. Er war es, der sich nach Einführung der Sondersteuer für Kampfhunde im Jahr 1999 als Erster gegen die neue Regelung aufgelehnt hat, weil er nicht verstehen konnte, warum er für seinen American Staffordshire Terrier 900 Euro im Jahr zahlen musste, während etwa der Halter eines Bullterriers beim Normalsteuersatz von 90 Euro blieb. Er klagte gegen diese Regelung. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel gab ihm im Dezember vergangenen Jahres recht.
Eigentlich könnte Ramolla nun zufrieden sein - wäre die Stadt als unmittelbare Folge des Urteils nicht auf eine Idee gekommen, die den Haltern von Kampfhunden noch viel weniger behagt: Statt die Sondersteuer nämlich ganz abzuschaffen, soll sie künftig auf noch mehr Rassen ausgeweitet werden. Demnach sollen die 900 Euro im Jahr nicht nur für die „unwiderlegbar gefährlichen“ Rassen gezahlt werden, sondern auch für alle anderen, die zu den sogenannten „Listenhunden“ gehören. Tiere dieser Rassen galten bislang als „widerlegbar gefährlich“ und mussten ihre Ungefährlichkeit alle zwei Jahre in einem Wesenstest beweisen.

Tierschutzvereine tun Unmut kund

Die Sondersteuer sei eine Ungerechtigkeit, findet Ramolla, dessen American Staffordshire mit zwei kleinen Kindern aufgewachsen ist und in einem Gutachten als „gehorsames und freundliches Tier“ bezeichnet wurde. Mittlerweile ist Ramolla nicht mehr der Einzige, der sich öffentlich gegen die Sondersteuer von nunmehr elf Rassen stellt. Vor allem Tierschutzvereine und Verbände geben ihren Unmut kund.
So etwa die Verantwortlichen des Frankfurter Tierheims im Stadtteil Fechenheim. Mehr als 20 Listenhunde sind dort seit dem Jahr 2000 abgegeben worden, weil die Besitzer die 900 Euro nicht aufbringen konnten. Fast alle seien Familienhunde gewesen, sagt Vorstandsmitglied Christine Bräunig. Einige Besitzer hätten weinend vor ihr gestanden und gesagt, den Hund im Tierheim abzugeben breche ihnen das Herz, aber sie hätten keine andere Wahl. Sollten künftig noch mehr Rassen mit 900 Euro besteuert werden, „landen noch mehr Hunde bei uns“, ist sich Bräunig sicher. „Dabei laufen wir jetzt schon über.“
75 Hunde wären laut Bräunig künftig zusätzlich von der Sondersteuer betroffen, sollte diese tatsächlich eingeführt werden. Wenn auch nur 20 Besitzer ihren Hund abgäben, kämen jährlich rund 72.000 Euro zusätzlich an Kosten für Futter, Personal und medizinische Versorgung auf das Tierheim zu. „Das können wir dann kaum noch leisten.“ Mehr Sicherheit wird nach Ansicht Bräunigs mit der Ausweitung der Sondersteuer nicht erreicht, denn die Hunde hätten ohnehin schon einen Wesenstest gemacht und seien „lammfromm“. Sinnvoller sei es, künftig den Halter und die Züchter stärker zu kontrollieren. „Kein Hund wird bösartig geboren.“

Schäferhund beißt häufiger zu als „Listenhund“

Das bestätigt auch Tierärztin Michaela Hafner, die für das Ordnungsamt als Sachverständige tätig ist und im Jahr etwa 40 Hunde prüft. Sie sieht die Sondersteuer als „reine Willkürsteuer“, da nicht belegt werden könne, dass die Listenhunde aggressiver seien als etwa Schäferhunde oder Rottweiler „oder jeder andere größere Hund“. Aus fachlicher Sicht sei eine solche Steuer nicht berechtigt, sagt sie. Die Hessische Hundeverordnung definiert Hunde als gefährlich, wenn „auf Grund rassespezifischer Merkmale oder Zucht eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren anzunehmen ist“. Laut Hafner gibt es aber kein Gutachten, das eindeutig bestätigt, dass Aggressivität bei Hunderassen vererbbar sei. Wie sich das Tier entwickele, komme auf seine „Sozialisierung“, also die jeweilige Umgebung, an. Bullterrier oder American Staffordshire seien „nicht gefährlicher als andere Hunde“. Das hätten die zahlreichen Wesenstests ergeben.
Das Ordnungsamt verweist bei diesem Thema auf seine interne Statistik: Seit dem Jahr 2000 wurden 76 Beißvorfälle bei Listenhunden registriert. Zum Vergleich: Bei Rottweilern waren es 77, bei Schäferhunden 168. Es ist jedoch nicht möglich, die Beißvorfälle in Relation zur Anzahl der gemeldeten Tiere zu setzen. Die Zahl der registrierten Schäferhunde oder anderer „normal besteuerten Rassen“ werde nicht erfasst, hieß es im Kassen- und Steueramt. „Der Kampfhund steht seit den tödlichen Beißattacken vor einigen Jahren besonders im Visier“, sagt Jochen Leichter von der Gefahrenabwehr des Ordnungsamts. Immerhin gehörten sie zu den „kampfstärksten“ Hunden und hätten eine enorme „körperliche Stärke, gemessen an ihrem Gewicht“. Dennoch, sagt Leichter, habe die Zahl der verhaltensauffälligen Listenhunde stark abgenommen. „Der Generalverdacht gegen diese Hunde ist nicht gerechtfertigt.“

„Was haben Sie denn da an der Leine?“

Dies versucht auch Liane Hentschel den Menschen zu vermitteln, denen sie begegnet, wenn sie mit ihrem Bullterrier spazieren geht. Es ist ihr siebter Hund. Sie hat ihn aus dem Tierheim geholt, „damit er noch ein oder zwei schöne Jahre hat, bevor er stirbt“, wie die Siebenundsiebzigjährige sagt. Sollte die Sondersteuer künftig auch für Bullterrier eingeführt werden, muss sie 900 Euro Steuern zahlen - viel Geld für die Rentnerin. Ein Passant habe einmal zu ihr gesagt: „Was haben Sie denn da an der Leine? Diese Hunde hätten schon längst alle vergast werden müssen.“ Sprüche dieser Art, sagt Liane Hentschel, bekomme sie regelmäßig zu hören. Die Listenhunde würden stigmatisiert, „und als Besitzer ist man gleich mit dran“. Wenn ein Hund wirklich auffällig werde, sagt sie, sehe sie die Sondersteuer ja ein. Bestraft werden, ohne dass der Hund etwas getan habe, wolle sie jedoch nicht.
Trotz aller Unsicherheit werten Ramolla, Bräunig und Hentschel die Signale, die derzeit aus dem Römer kommen, als „hoffnungsvoll“. Bräunig ist sich fast sicher, dass die zuständigen Dezernenten Uwe Becker und Boris Rhein (beide CDU) zumindest einen Bestandsschutz gewähren werden. Das würde bedeuten, dass die schon beim Wesenstest als gutartig eingestuften Hunde von der Sondersteuer befreit bleiben.

Steuervergünstigungen nach bestandenem Wesenstest?

Es gebe derzeit mehrere Versionen, über die noch abgestimmt werden müsse, hieß es in der vergangenen Woche im Finanzdezernat. Alle Vorschläge enthielten „eine Art Kompromiss“, wie die zuständige Referentin Anne Rückschloß sagt. Geplant sei etwa eine Begleithundeprüfung, in der der Halter nachweisen müsse, dass er sein Tier verantwortungsvoll führe. Wenn der Hund zudem noch den Wesenstest bestehe, seien Steuervergünstigungen möglich. Wie viel das sein wird, steht laut Rückschloß allerdings noch nicht fest.
Mit einem solchen Kompromiss wäre Ramolla zufrieden. Er hat einen vier Seiten langen Brief geschrieben und im Römer abgegeben. Darin schildert er die Situation der rund 240 Kampfhundebesitzer, die es in Frankfurt gibt.“Ich habe keine Ahnung, ob das überhaupt jemand von den Politikern liest“, sagt der Familienvater. „Aber ich mach' es halt wie damals mit der Klage. Ich versuch' es einfach. Und vielleicht habe ich wieder Glück.“

Quelle: http://www.faz.net/s/....